In Nino Filastós „Fresko in Schwarz“ gerät Avvocato Scalzi eher zufällig in die Ermittlungen rund um den Mord an einem Archivar und taucht dabei tief ein in die Kunstgeschichte seiner Heimatstadt Florenz, die anscheinend einige Rätsel birgt. Dieser Roman bietet alles, was ein Italien-Liebhaber schätzt: die Stadt Florenz mit all ihren Kunstschätzen, Hauptfiguren, die zwar alle im Norden wohnen, aber aus dem Süden stammen und eine Menge bunter Vögel, die scheinbar gleichzeitig über Alles und Nichts lauthals reden.
Ein kurzweiliges Buch mit einem sympathischen Helden, unterhaltsam und zwischendurch richtig spannend.
Auch „Unter den Mauern von Bologna“ von Loriano Macchiavelli ist ein sehr angenehmes Buch, das ich soeben zu lesen begonnen habe. Scheinbar unsichtbar folgt der Ich-Erzähler, der eigentlich gar keiner ist, seinen Figuren überall hin und schildert mit viel Augenzwinkern die Geschehnisse rund um einen Mordfall, in dem der Polizist Sarti Antonio ermittelt. Er mischt sich in die Handlung ein, ermahnt seine Figuren und widerspricht ihnen auch. Der Autor, und somit der Ich-Erzähler, nennt Sarti zärtlich „mein Polizist“, man spürt, wie sehr er die von ihm geschaffene Hauptfigur liebt. Der Polizist Sarti Antonio ist es auch, der den Roman schon nach wenigen Seiten so sympathisch macht: Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, ist Sarti kein begnadeter Ermittler, der immer die richtigen Schlüsse zieht und durch analytisches Denken und Kombinationsgabe auch komplizierte Fälle lösen kann. Nein, er ist in erster Linie Mensch (und Italiener mit großer Liebe zu Espresso) und ausgestattet mit viel Menschlichkeit. Seine Tollpatschigkeit und sein öfters etwas unbedarftes Wesen sei ihm schon jetzt auch für die nächsten 250 Seiten verziehen.
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edogawa - 3. Feb, 21:55
Dr. Marc Seidman erwacht schwer verletzt auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Er wurde beim Überfall auf sein Haus durch Schüsse lebensgefährlich verletzt, seine Frau ist tot, seine Tochter wurde entführt. Aus dem Krankenhaus entlassen, lässt nur ein Gedanke Dr. Seidman nicht mehr ruhen: er will seine Tochter zurück. Und tatsächlich melden sich die Entführer mit einer Lösegeldforderung und geben Marc eine Chance, seine Tochter wieder zu kriegen. Jedoch keine zweite! Die Jagd beginnt!
Harlan Coben ist ein amerikanischer Autor: es gibt die Guten und die Bösen. Die Guten schauen gut aus, die Bösen schauen böse (also hässlich oder schon beinahe teuflisch gut) aus. Man ist sich beim Konsumieren des Romans nie sicher, ob man ein Buch liest oder ob man sich gerade einen rasanten Actionfilm anschaut. Manche Aussagen des Romans, wie z.B. „Serbien ist ein vom Krieg verwüstetes Höllenloch“ (Erscheinungsjahr des Romans 2003!) muten vielleicht aufgeklärten Europäern etwas seltsam an (oder zeugen auch nur von etwas schlampiger Recherche). Aber an sich stört das beim Lesen des Romans nicht wirklich, zu sehr ist man aus anderen Büchern bzw. aus Filmen mit dem Hang der Amerikaner zu Schwarz-Weiß-Malerei vertraut. Den Leser erwartet sicher keine große Literatur, sondern eigentlich nur spannende Unterhaltung. In rasantem Tempo schildert Coben die Geschehnisse rund um Dr. Seidman und dessen Jagd nach den Entführern seiner Tochter. Handwerklich gut geschrieben, wechselt der Autor ständig seine Erzählweise, eine Situation wird aus mehreren Sichten beschrieben. Das erhöht die Spannung ungemein, der Leser weiß oft schon mehr als die Figur, aus deren Sicht die Geschichte gerade erzählt wird. Trotz laufender Wendungen (viele davon recht gelungen) bleibt die Handlung relativ linear, die Anzahl der Protagonisten ist übersichtlich, der Plot ist mehr oder weniger schlüssig, das überraschende Ende muss wohl sein, auch wenn es den aufmerksamen Leser nicht wirklich überrascht.
Man muss „Keine zweite Chance“ als das betrachten, was es ist: Ein sehr spannender, tempo- und actionreicher Roman, der viel Unterhaltung bietet und den man nur schwer nicht in einem Zug lesen kann. Wenn man also über einige fragwürdige Inhalte einfach hinwegschaut (oder besser darüber schmunzelt), bietet das Werk großen Lesespaß ohne Anstrengung und Tiefgang.
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edogawa - 3. Feb, 21:10
Edward Dunford ist Gerichtsreporter der „Evening Post“ in Yorkshire im Jahre 1974. Ein junges Mädchen wird auf grausame Art getötet, bereits Jahre zuvor waren zwei Mädchen auf ähnliche Weise ums Leben gekommen. Barry, ein Kollege Dunfords stirbt unter misteriösen Umständen. Besteht ein Zusammenhang zwischen den Morden an den drei Mädchen? Was hat ein ehrwürdiger Bauunternehmer mit der Sache zu tun? Wusste Barry mehr darüber, als erlaubt war? Und will die Polizei die Fälle wirklich lösen? Edward Dunford verbeisst sich im Zuge seiner Recherchen immer tiefer in die Lösung dieser Rätsel, bis er letztendlich alle blutigen Fäden in der Hand hält. Er nimmt dabei weder Rücksicht auf seine Umwelt noch auf sich selbst, denn am Schluss werden auch seine Hände blutig sein.
„1974“ von Deavid Peace ist ein unglaublich harter Roman, härter, als einem manchmal lieb ist. Das Buch tut weh, inhaltlich und stilistisch.
Sein Held, Edward Dunford, ist kein sympathischer Mensch. Er wirkt wie ein verweichlichtes Muttersöhnchen, das sich ständig für sein Verhalten entschuldigen muss, ohne dass man das Gefühl hat, er meint seine Reue ernst. Er behandelt seine Mitmenschen, insbesondere Frauen, wie Dreck, er ist selbstsüchtig und egoistisch. Jedoch spürt Edward doch noch ein Hauch von Menschlichkeit und Mitgefühl in sich, im Gegensatz zu den korrupten Polizisten, seinen arroganten Kollegen und den sonstigen Protagonisten in Peaces Roman. Dieser letzte Rest von Anstand lässt ihn bei seinen Recherchen zu den grausamen Verbrechen nicht ruhen. Mögen kann ihn der Leser trotzdem nicht.
Das Bild von Yorkshire des Jahres 1974, das in diesem Roman gezeichnet wird, ist ein erschütterndes. Hass, Neid, Korruption, soweit das Auge reicht, menschenverachtende Grausamkeiten stehen an der Tagesordnung. In teilweise atemberaubendem Tempo und unglaublich dichter Atmosphäre schildert der Autor die Geschehnisse um seinen „Antihelden“. Er schont dabei weder seine Hauptfigur noch den Leser. Die Brutalität des Romans schmerzt, ebenso die Sprache des Autors: Mit stakkatoartigen kurzen Sätzen „sticht“ der Autor auf den Leser ein, das Buch kurz wegzulegen fällt schwer, zu sehr ist man in der Handlung gefangen, man fühlt sich wie in einem Albtraum, aus dem man erst erwachen kann, wenn man die letzte Seite gelesen hat.
„1974“ ist kein, und soll es auch nicht sein, angenehmes Buch, es ist ein Roman, der einen nicht loslässt, der fesselt, auch wenn es schon weh tut.
Deutscher Krimipreis 2005 für „1974“ – Gratulation, Mr. Peace
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edogawa - 3. Feb, 20:26